Dualseelen-Vereinigung: Ein Märchen...
Dualseelen sind wie Eiweiß und Eigelb. Sie müssen sich erst trennen, gerührt und geschlagen werden, um sich im großen Finale erneut im Kuchenteig zu treffen. Oder auch nicht.
Manchmal werden Dualseelen-Märchen wahr...
Es ist Weihnachten. Und deshalb gibt es heute ein Märchen mit Happy-End, aus meinem nächsten Buch: "Dualseelendiät für 33 Tage" Und manchmal passiert es genau so im wahren Leben...
In meinem Dualseelen- Märchen bezeichne ich den Kopfmensch / Gefühlsklärer als Eigelb. Den Herzmensch oder Loslasser bezeichne ich als Eiweiß. Viel Freude beim Lesen.
Es war einmal ein Eigelb.
Das Eigelb schwamm vergnügt in seinem Eiweiß. Glücklich war es, es hatte weiter nichts zu tun. Das Eiweiß war genauso glücklich. Sanft umhüllte es sein geliebtes Eigelb, bettete es und trug es in seinem Herzen. Es war so paradiesisch schön. Und auch ein bisschen langweilig. Das Eiweiß wollte endlich was erleben.
„Liebstes Eigelb, ich langweile mich!“, rief das Eiweiß.
„Ach Schatz. Es ist doch alles in Ordnung. Langeweile ist gut.“
„Aber Eigelb, da muss doch noch mehr sein. Ich will raus aus dem Himmel, rein in die große, weite Welt. Ich will Abenteuer erleben, ich will Spannung, Spiel und Spaß.“
„Na gut, mein Schatz“, antwortete das Eigelb. „Wie Du willst, das kannst Du gerne haben. Ich bin einverstanden. Aber ich werde Dir vielleicht wehtun müssen. Wir werden uns trennen, uns aus den Augen verlieren.“
„Oh ja. Das wird bestimmt lustig, wenn Du mir wehtust. Was ist das überhaupt? Wie spüre ich das? Wie fühlt sich das an?“
„Ich weiß es auch nicht so genau“, antwortete das Eigelb. „Es ist vollkommen anders, als das, was wir jetzt sind. Das Gegenteil von glücklich.“
„Aber das ist doch toll. Glücklichsein kennen wir ja schon. Lass uns doch etwas Neues ausprobieren, damit wir wachsen können.“
„Okay“, antwortete das Eigelb. „So soll es sein. Ich helfe Dir, ich bin ja Deine andere Hälfte.“
Und so schickten sich Eiweiß und Eigelb an, neu geboren zu werden.
Sie wussten nicht, was sie erwartet. Sie wussten nur, dass sie sich dafür trennen mussten.
Doch sie hatten keine Angst, denn sie wussten nicht, wie Trennung sich anfühlt.
Meine These: Eigelb und Eiweiß (Dualseelen) müssen sich trennen
Mit einem lauten Knall öffnete sich ihre Schale. Sie wurden gerüttelt, geschüttelt, geschleudert, geprellt. Von einer Seite der Schale wurden sie in die andere Seite geworfen. Und zurück.
Dabei löste sich das Eiweiß Stück um Stück von seinem geliebten Eigelb. Himmel, tat das weh. Der Schmerz erschütterte sein Herz und seine Seele. Das Eiweiß konnte nicht mehr klar denken, ihm schwanden die Sinne, ihm blutete das Herz. Es war hilflos, machtlos und landete schließlich – restlos getrennt – in einer leeren Schüssel. Plumps.
Langsam kam das Eiweiß wieder zur Besinnung. Es hatte Schmerzen. Sein Eigelb fehlte ihm. Und nun litt es Höllenqualen – es vermisste sein Eigelb so sehr, es war doch stets sein Mittelpunkt gewesen. Was sollte es denn nun tun?
Niemand war da, für den es sorgen konnte, niemand verstand es, niemand gab ihm Sinn.
Niemand wärmte sein wimmerndes, zitterndes Herz. Es hatte solche Sehnsucht. Der Himmel war dunkel, seine Sonne war verschwunden. Es fühlte sich vollkommen verloren.
Ein verlorenes Eiweiß in der Schüssel der großen, dunklen Welt.
Es jammerte und klagte laut.
Es hatte einfach keine Ahnung, wie es überleben sollte.
Es rief ganz laut nach seinem Eigelb: „Eigelb! EIGELB!!! E I G E L B!!! Ich brauche Diiiiich! Bitte komm zurüüüück!!! Du fehlst mir doch soo sehr!“
Das Eigelb indes schwamm eine Schüssel weiter und fror. Doch es blieb stumm. Natürlich tat es auch ihm weh. Sehr sogar. Es hatte Angst vor noch größeren Schmerzen. Es hatte keine Ahnung, wie es weitergehen sollte. Es konnte nichts für sein geliebtes Eiweiß tun.
Das Eiweiß indes gab keine Ruhe. Es fühlte sich nackig, leer, im Stich gelassen, mutterseelenallein.
„Warum hast Du mich verlassen? Warum tust Du mir das an? Du liebst mich überhaupt nicht mehr.“
Das Eigelb antwortete tonlos. Es hatte keine Tränen mehr und auch die Stimme hatte es verloren. Also rief es in Gedanken: „Du hast mich gebeten, Dich zu verlassen. Du wolltest was erleben. Du wolltest wachsen, größer, weiser werden.“
In der Dualseelen-Falle der Bedürftigkeit....
Das Eiweiß hatte kein Gehör für die Gedanken vom Eigelb. Es verzehrte sich. Wut und Enttäuschung wuchsen. Es war traurig und zornig zugleich: „Es liebt mich nicht. Es hat mich benutzt. Jetzt hat es mich im Stich gelassen. Ich vermisse es doch so sehr.“
Sein Wimmern half ihm nichts. Der Mixer setzte sich in Gang und schlug das Eiweiß gehörig durch. Jetzt wurde es auch noch geschlagen, gemixt, gequirlt. Als ob es nicht schon genug Schmerzen hätte. Die Abenteuer des Lebens fingen nun erst richtig an. Es litt, es quälte sich, es schrie sich die Seele aus dem Leib. Es verzehrte sich vor Sehnsucht, es konnte nicht schlafen, wollte nichts essen. Sinnlos erschien ihm ganz plötzlich sein ganzes Leben.
Irgendwo hatte es aufgeschnappt, dass es sich selbst lieben müsste, um erneut in die Arme seines Eigelbs zu fallen. SELBSTLIEBE? Was sollte das sein? Wie sollte das gehen?
Es sprach mit anderen Eiweißen, die langsam zu ihm in die Schüssel fielen.
Manche schrien, viele jammerten, doch einige nickten weise: „Atme tief, kleines Eiweiß. Das Leben ist schön. Du musst Deine Klarheit schätzen lernen, Dich selbst erkennen. Du musst wissen, dass Du alles bist. Du musst spüren, dass Du Dein Eigelb tief in Deinem Herzen trägst, so, wie es für immer Dich in seinem Herzen trägt. Du musst Deine Form verändern.“
Das Eiweiß wurde still. Es spürte, es fühlte, es sehnte sich. Und da: Plötzlich konnte es tief in seinem Inneren sein Eigelb spüren. Und es begriff: Sein Eigelb war immer bei ihm, ganz egal, ob es gerade drei Schüsseln weiter schwamm. Und plötzlich hatte es ein erstes Lächeln auf seinem Gesicht. Sein Eigelb hatte es nicht verlassen. Das Eigelb hatte etwas Großes, Bedeutendes für sein Eiweiß getan. Sein Herz wurde milder, sein Atem ruhiger, sein Leib nahm langsam neue Formen an. Es strahlte schon in reinem Weiß.
Und dann geschah etwas Wundervolles. Mit jedem Schlag des Mixers erhob es sich zu neuer Form. Es wurde lockerer, fluffiger, luftiger. Es dehnte sich aus, wuchs und wuchs. Die Schwermut fiel restlos von ihm ab. Langsam begann es, sich zu lieben. Langsam begriff es, wozu es auf der Erde war. Das Eiweiß liebte es plötzlich, ein Eiweiß zu sein.
Das Eigelb erlebte inzwischen in der Nachbarschüssel seine eigenen Kämpfe. Andere Eigelbe kamen hinzu und kämpften um den ersten Rang. Jedes wollte das Beste sein. Nun fielen auch noch Butter und Zucker in die Schüssel. Das kann ja heiter werden, dachte das Eigelb, jetzt werde ich schon vermischt. Was soll das werden? Wohin führt das, wenn nicht hinters Licht? Wo sind meine Grenzen hin? Ich will das alles nicht. Was geht hier vor? Man muss sich ablenken, dachte das Eigelb, dann hört der Schmerz von ganz alleine auf.
Das Eigelb verschloss also sein Herz und verdrängte sein geliebtes Eiweiß. Es weinte nicht, es wehrte sich, solange es noch gut bei Kräften war. Doch diese ließen sichtlich nach. Jetzt spürte es sein Eiweiß fast gar nicht mehr. Immer schneller kreisten seine Gedanken um sein geliebtes Eiweiß: Geht es ihm womöglich gut? Hat es mich vergessen? Hat es ein anderes Eigelb getroffen? Braucht es mich nun gar nicht mehr?
Immer mehr versuchte es, sich abzulenken. Doch nun ging der Spaß erst richtig los. Die Maschine setzte sich in Gang. Das Eigelb wurde geschleudert und geschlagen, mit dem Zucker und der warmen Butter vermengt – und zwar im Turbogang. Es erlebte die Hölle. Ihm wurde heiß, ihm wurde kalt. Es wusste nicht, was mit ihm passierte. Es litt Qualen, hatte Sehnsucht, Angst und Schmerzen.
Harte Zeiten machten das Eigelb weich. Sein Ego wurde milder, sein Herz wurde offener. Es verstand, dass es bestimmt war, sein Eiweiß wiederzufinden. Und so traf es seine Wahl. Es wollte sein Eiweiß erneut in seine Arme schließen. Koste es, was es wolle. Vielleicht würde es Wochen dauern, vielleicht Monate, vielleicht auch Jahre. Was bedeutet schon Zeit, wenn die Sehnsucht übermächtig ist? GIBT ES DEN PERFEKTEN MOMENT FÜR EIN WIEDERSEHEN?
Ich weiß es nicht. Ich weiß nur eines: dass man beim Kuchenbacken zu guter Letzt das steif geschlagene Eiweiß unterzieht. Ich weiß nicht, welcher Bäcker es erfunden hat. Ich bin mir sicher, es war das Leben.
Und so, nach gefühlt endlos langer Reise, nach einer unbeschreiblichen Odyssee – machte es plötzlich Blubb. Das Eiweiß traute seinen Augen nicht. Es hatte keinen blassen Schimmer, war völlig überrumpelt, ahnungslos. Plötzlich lag das Eigelb wieder in seinen Armen.
Sein Eigelb war auf einmal wieder da. So, als wäre es niemals weggewesen.
Reifer, wissender, weiser.
Zwei Herzen – eine Seele, endlich erneut vereint.
Und wenn sie nicht gebacken sind, dann leben sie noch heute.
Frohe Weihnachten,
Deine Margret
Kommentar schreiben
Birgitta Busch (Donnerstag, 10 Oktober 2019 22:15)
Wie im richtigen Leben.Es fehlt nur noch die Selbstliebe