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Liebeskummer einer Mutter, Welttour eines Sohnes

Mein jüngster Sohn ist hier bei mir. Zum letzten Mal für eine unbestimmte Zeit. Mit seiner Verlobten und einem kunterbunten Wohnmobil macht er sich auf, die Welt zu entdecken. Gerade wurde er 25 Jahre alt. 

 

Ein Vierteljahrhundert zieht im Zeitraffer an meinem inneren Auge vorbei. Ich denke an all die Momente, in denen wir zusammen Tränen lachten. Ich denke an die Momente, in denen er mich verfluchte. An Momente, in denen ich tief ergriffen war von diesem „Kind“, dass längst zum Mann geworden ist. 

 

Taddeus kam mit 4600 Gramm auf diese Welt. Jetzt ist er gut 1,90 groß. Irgendwie ist alles an ihm groß. Besonders seine Träume. Vier Jahre habe ich ihn gestillt, sechs Jahre schlief er bei mir im Bett, mit 18 zog er aus, zum Vater, der nur noch kurze Zeit zu leben hatte.

Nun hat er sich aus Deutschland abgemeldet, um zu Hause anzukommen. In dieser kunterbunten, reichen Welt.

Er sagt, er möchte wissen, wie die Menschen ticken. Er sagt, er will probieren, mit ganz wenigen Dingen klarzukommen. Er sagt, er will etwas für das Überleben dieser Erde tun. Er sagt, er vermisst am meisten fließendes Wasser und ein Klo.

 

Jemanden zu Vermissen kann auch Glücksgefühle bringen...

Und ich vermisse ihn. Ich werde es vermissen, ihn einfach mal spontan zu sehen, ihn zu umarmen, ihn anzusehen, wenn er eine seiner Geschichten zum Besten gibt. Und wenn er lacht. Von einem Ohr zum nächsten. Er ist ein Sonnenschein auch wenn es regnet.

Ich fühle etwas, das ich früher mal als Liebeskummer bezeichnet hätte. Eine drückende, sich langsam bewegende Energie – irgendwo zwischen 

Solarplexus und Bauchnabel.

Wenn ich die Augen schließe, dann wird mein Körper schwerelos, als würde er nicht existieren. Nur diese Energie ist gerade gut zu spüren. 

Dort war früher mal die Nabelschnur, die uns verband. Nun steht eine neue Geburt auf unserem Lebensplan. Ein neuer Prozess. Wieder einmal ist Abnabeln angesagt. Damals habe ich ihn auf diese Welt gebracht. Jetzt entlasse ich ihn in diese Welt. Mit einer Umarmung und einem Lebewohl.

 


Gehören unsere Kinder wirklich uns?

Ich bin der Meinung, dass ich gut loslassen kann. Schon als Taddeus 4 Jahre alt war, habe ich mich gefragt: Gehört dieses Kind wirklich mir? Ist es mir nicht nur anvertraut? Ist es mein Kind, weil es durch mein Fleisch und Blut gekommen ist? Gehört es nicht dem Leben selbst?

Es ist gerade Herbst. Die Bäume lassen ihre Früchte fallen. Und auch die Blätter. Sie gehören ihnen nicht. Die Früchte sind nur durch den Baum gekommen.

Zeit loszulassen. Zeit, sich auf sich selbst zu konzentrieren. Zeit neugierig zu sein, wie die Liebesgeschichte weitergeht. Die Liebesgeschichte zwischen einer Mutter und ihrem Sohn. Es ist schön, den Kummer zu fühlen, den diese Liebe mit sich bringt. Er macht mein Glück vollkommen.

 


"Nur das, was du verlieren kannst, wird wertvoll für dich sein."

Margret Marincolo

Ich vertraue Taddeus vollkommen. Er kostet sein Leben in vollen Zügen aus. Auch er lässt los. Seine Heimat, seine Freunde, seinen Job, sein Hab und Gut. Er lässt sich auf sein Abenteuer ein. 

 

 

Der Liebeskummer hat für mich längst an Leid verloren. Doch zeigt er mir, wo meine Liebe Früchte trägt. Immer wenn Sehnsucht und Vermissen mein Herz berühren, immer dann weiß ich, dass ich mich einem Menschen hingegeben habe. Diese Gefühle dehnen mich. Sie brechen meine Schale auf, damit ich wachsen kann. Sie nehmen mir nichts. Im Gegenteil, sie füllen mich mit neuer Liebe.

 

Schönen Sonntag,

 

Deine Margret


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Kommentare: 6
  • #1

    Daniela (Sonntag, 20 Oktober 2019 08:30)

    Unfassbar toll wie und was du schreibst... ich bin tief berühr....
    Liebe Grüsse ins schöne Chur

  • #2

    Gabriela (Sonntag, 20 Oktober 2019 09:50)

    So berührend geschrieben.Du hast ihn liebevoll losgelassen�.

  • #3

    Miriam (Sonntag, 20 Oktober 2019 11:00)

    mein lieblingsspruch, wenn es um das loslassen meines 20jährigen sohnes geht:
    gib deinen kindern wurzeln und flügel!
    dein kind fliegen zu sehen, ist ein wunderbares gefühl!

  • #4

    Maria (Sonntag, 20 Oktober 2019 14:23)

    Ich kenne das ziemlich gut. Für die Kinder stellst du dein Ego zu Seite.
    Doch nichts ist wichtiger als sie die

  • #5

    Miriam (Sonntag, 20 Oktober 2019 18:10)

    ja, ich habe sie bereits erfahren dürfen, die bedingungslose liebe, die wir alle doch immer wieder in einem lebenspartner/dualseele/ehemann usw. suchen und zu finden glauben.
    mein sohn hat einen unantastbaren platz in meinem herzen, egal, was er tut oder nicht tut, egal wo er gerade ist. ich habe keine erwartungen an ihn, diese liebe IST einfach nur und erinnert mich heute daran, dass es eine weitere bedingungslose liebe in meinem leben geben sollte: die liebe zu mir selbst.
    ....wenn ich dieses gefühl, das ich zu meinem sohn habe, auch mir selbst entgegenbringen kann, bin ich endlich heil.

  • #6

    Julia (Montag, 21 Oktober 2019 06:49)

    Liebe Margret, das ist wunderschön was du schreibst.
    Ich kann das fühlen was du beschreibst. Ich denke viele Mütter kennen genau das...danke dir.
    Von Herzen Julia